geändert am 20. Juni 2022
Plastik, umgangssprachliche Bezeichnung für Kunststoff, ist in unserer Gesellschaft kaum mehr wegzudenken. Milliarden Tonnen fanden den Weg in Verpackungen, Haushaltsgegenstände, Baumaterial, Kleidung, Autos und vieles, vieles mehr. Der praktische Werkstoff besitzt einen großen Vorteil, Plastik hält lange. Und genau darin liegt die Geißel der Menschheit, denn Kunststoff baut sich sehr langsam ab. Vermutlich verrottet Plastik nie ganz, Mikroplastik wird höchstens immer kleiner.
Plastik – vom Segen zum Fluch
Plastik eroberte nach dem Zweiten Weltkrieg die Welt wie im Sturm. Es war das Material der Moderne. Möbel und Küchen aus Kunststoff verdrängten das Holz, Tupperwareschüsseln ließen Hausfrauenherzen höherschlagen.
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Wie praktisch waren plötzlich kostenlose Einkaufstüten im Supermarkt. Und Getränke in Plastikflaschen – viel leichter zum Schleppen als Glasflaschen und anschließend einfach im Mülleimer zu entsorgen.
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Aber damit begann ein riesiges Problem. Inzwischen ist unser Planet voll Plastikmüll. Unsere Gewässer quellen über von leeren Plastiktüten und Plastikflaschen. Dies zeigt sich vor allem in Länder mit einer weniger funktionierenden Müllabfuhr. Plastikmüll säumt die Straßen, die Strände sind wenig einladend. Aber dabei handelt es sich nicht nur um ein optisches Problem, Plastik bildet eine Gefahr für Mensch und Tier.
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Plastikmüll in Flüssen, Seen und Meeren
Plastik überschwemmt unseren Planeten – und entpuppt sich zunehmend als echte Geißel für die Menschheit. Der Plastikmüll findet seinen Weg über die Flüsse in die Ozeane. Dort schwimmt es an der Oberfläche, liegt auf dem Meeresgrund und verunstaltet die Strände.
Dabei handelt es sich vorwiegend um Einwegplastik wie Wasserflaschen, Wegwerfgeschirr, Plastiktüten und sonstige Plastikartikel. Gerade in Asien – und allen voran China – fehlt vielfach das nötige Umweltbewusstsein, was Menschen nicht mehr brauchen, werfen sie einfach weg – und meistens nicht in den Abfalleimer. Der Plastikmüll spiegelt unsere Wohlstandsgesellschaft mit unserer Wegwerfmentalität wider. Die Meere verwandeln sich in Müllkippen.
Dabei dürfen wir nicht vergessen: Einst nutzten die Menschen in Afrika, Asien oder Südamerika Bananenblätter zum Einwickeln, tranken aus Kokosnussschalen und flochten Körbe aus Rattan. Auch Löffel und sonstige Haushaltsgegenstände entstanden aus diesen natürlichen Materialien. Diese organischen Gegenstände zu entsorgen war kein Thema. Das Plastikproblem schufen die Industriestaaten, die sogenannte zivilisierte Welt.
Der Müll stammt jedoch nicht ausschließlich aus diesen Ländern, Europa und die USA exportieren Plastikmüll dort hin. Und Deutschland steht an dritter Stelle der Missetäter nach USA und Japan. Im Jahr 2020 exportierte die Bundesrepublik über eine Million Tonnen Plastikmüll ins Ausland. Und eben nicht alles wird korrekt entsorgt. Ins Meer kippen ist eben viel billiger. Erschreckend!
Inzwischen treiben riesige Müllstrudel im Pazifik, im Atlantik und im Indischen Ozean mit schätzungsweise 150 Millionen Tonnen Plastikmüll. Alleine der „Great Pacific Garbage Patch“ zwischen Hawaii und Kalifornien enthielt 2020 geschätzte 1,8 Billionen Plastikteilchen auf einer Fläche viermal so groß wie Deutschland. Und dies sind nur die sichtbaren Teile an der Wasseroberfläche, der Großteil sinkt wohl auf den Meeresgrund.
Plastikmüll in Europas Meeren
Auch die Anwohner der Nord- und Ostsee kämpfen mit dem Plastikmüll. In der Nordsee verursachen meist Schifffahrt, Fischerei und Tourismus den Müll. An der Ostsee hinterlassen leider die Touristen den Müll am Strand. Die Balearen setzen zahlreiche Müllboote ein, die jeden Sommer den Müll aus dem Meer fischen, um die Urlauber nicht durch dreckige Küsten zu vertreiben.
Ocean Cleanup heißt das Projekt des Holländers Boyan Slat. Sein erster Versuch, mit Röhren Plastik von der Oberfläche zu fischen, scheiterte 2018. Inzwischen befreit er das Meer von Plastik, indem er mit solarbetriebenen Booten an den Flussmündungen Plastik abfischt, bevor der Müll ins Meer gelangt.
Ähnlich geht die Architektin Marcella Hansch das Problem mit ihrem Projekt „Everwave“ an. Auch sie sammelt mit Müllbooten das Plastik in Flüssen und Seen.
Plastikmüll – Gefahr für Mensch und Tier
Plastik löst sich nur sehr langsam auf, es wird mechanisch in immer kleinere Teile zerlegt. Was übrig bleibt ist sogenanntes Mikroplastik, Teilchen kleiner als fünf Millimeter. Plastikteile jeglicher Größe bilden eine Gefahr und sie beschädigen die empfindlichen Korallenriffe.
Meeresschildkröten fressen Plastiktüten, da sie aussehen wie Quallen, Vögel verschlingen Teile, die sie für Nahrung halten und viele Fischarten lieben die kleinen Plastikteilchen und bevorzugen sie sogar vor Plankton. Viele Tiere sterben daran – oder sie landen mit Plastik gefüllt auf den Tellern. Die genauen Auswirkungen von Mikroplastik in der Nahrung sind noch lange nicht geklärt, teils sogar noch völlig unbekannt.
Inzwischen beläuft sich das Verhältnis von Fischen zu Plastikmüll bereits auf ein Drittel, sprich eine Tonne Plastikmüll steht drei Tonnen Fisch im Meer gegenüber. Und ändert sich nichts, wird es nach Schätzung der Ellen MacArthur Foundation bis 2050 weltweit mehr Plastik im Meer geben als Fische.
Plastikmüll – am besten vermeiden
Der wirksamste Schutz ist, Plastik zu vermeiden. Damit gelangt weniger Abfall in die Meere. Allerdings steigt die weltweite Produktion, was automatisch Plastikmüll nach sich zieht. Die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie der EU von 2008 besagt: Abfälle dürfen „keine schädlichen Auswirkungen auf die Küsten- und Meeresumwelt haben“. Leider ist die Umsetzung noch nicht vollkommen geglückt. Immerhin ist in der EU seit Juli 2021 der Verkauf von Einmalplastikbechern, Plastikbesteck, Wattestäbchen, Trinkhalmen und Einmal-Behältern aus Styropor verboten. Zumindest ein Anfang.
Kleidung aus recyceltem Plastik – eine Lösung?
Die Idee, aus alten PET-Flaschen Kleidung herzustellen, hört sich zunächst gut an. Plastikflaschen, hergestellt aus dem zungenbrecherischen Wort Polyethylenterephthalat (PET) aus dem Meer zu fischen und wiederzuverwenden klingt überzeugend. Aber wie sieht die Realität aus? Kommt das Plastik aus dem Meer, erfordert es viel Energie zum Reinigen. Daher bestehen nicht alle Kleidungsstücke aus recyceltem Material, manche Hersteller betreiben leider Greenwashing. Sie nehmen neue Flaschen für die Produktion. Was natürlich die Plastikproduktion noch erhöht.
Und was, wenn die recycelte Kleidung am Ende seiner Tage erneut im Müll landet? Sie nochmals zu recyceln ist fast nicht möglich. Erstens sind verschiedene Garne schwer zu trennen und selbst bei nur einer Garnart sind die Kosten reichlich hoch.
Hinzu kommt das Problem, dass beim Waschen Mikroplastik ins Abwasser kommt. Dieses landet im Trinkwasser, in der Nahrungskette und letztlich wieder im Meer landet. Ferner gelangt beim Tragen Mikroplastik in die Atemwege. Da die Auswirkungen von Mikroplastik auf die Gesundheit noch unklar sind, ist es besser, auf diese – zwar zunächst gut gemeinte Wiederverwendung – zu verzichten. Viel besser ist, weniger Kleidung zu kaufen und sie so lange wie möglich zu tragen.
Energiegewinnung aus Plastik
Kunststoffe basieren fast ausschließlich aus fossilen Brennstoffen. Ihre Energiedichte ist höher als die von Kohle. Warum dann nicht verbrennen und daraus Energie gewinnen? Ersatzbrennstoffkraftwerke liebt aber niemand, denn wer mag schon neben einer Müllkippe wohnen, selbst wenn dies so erträglich wie möglich abläuft? Trotzdem fahren Lastwagen voll Müll zur Müllverbrennungsanlage.
Bei der Verbrennung entstehen zudem Treibhausgase. In den USA waren dies 2016 zwölf Millionen Tonnen CO2e, über die Hälfte entstand durch die Kunststoffverbrennung. Und es braucht mehr Energie zur Gewinnung der fossilen Brennstoffe und anschließende Plastikproduktion, als bei der Verbrennung gewonnen wird.
Plastik – vergasen besser als verbrennen
Bei dieser Umwandlung von Plastik in Energie durch Vergasung entstehen keine Giftstoffe und das gewonnene synthetische Gas kann Turbinen in den Kraftwerken antreiben. Allerdings ist natürliches Erdgas noch billiger. Vielleicht ändert sich dies im Rahmen des Ukrainekrieges und den damit verbundenen Sanktionen gegen Russland.
Derzeit ist die Pyrolyse das kostengünstigere Verfahren. Dabei werden die Kunststoffe geschreddert und mit hohen, aber weniger hohen Temperaturen wie bei der Vergasung in kürzere Kohlenwasserstoffe aufgespalten. Diese lassen sich zu Dieselkraftstoff und andere petrochemische Produkte verarbeiten.
In den USA liefen 2019 sieben kleine Pyrolysekraftwerke und scheinen auf dem Vormarsch zu sein. Und Kraftstoff direkt aus fossilen Brennstoffen zu erzeugen ist nach wie vor billiger als aus Plastikmüll.
Allerdings trägt die Gewinnung von Energie aus Plastik nicht dazu bei, die Kunststoffproduktion zu senken oder den Klimawandel zu bekämpfen. Es hilft höchstens bei der Entsorgung von bereits vorhandenem Plastik.